Stadt-Land-Verrat

 

Die Rabtaldirndln waren mit „Du gingst fort – Eine Art Fahndungsformat“ zu Gast im Schauspielhaus Graz. Sie blieben ihrem einenden Thema treu und zeichneten auch in dieser Inszenierung das Spannungsfeld zwischen Stadt und Land nach. Das vierköpfige Theater- und Performancekollektiv aus der Weststeiermark wurde 2014 mit dem BestOFFstyria-Award ausgezeichnet und performte am Montag gewohnt gut, obwohl zumindest eine der vier aufgeweckten Mädels bald fortgehen wird aus ihrer Heimat („Die Rabtaldirndln sind einander Heimat“) – nicht in die Stadt, dafür in den Mutterschutz. Dramaturgie, Handlung und Ausstattung kamen diesmal von Ed Hauswirth und Georg Klüver-Pfandtner. Bühne war das Haus Zwei.

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(c) Nikola Milatovic

Emotionalität wurde angekündigt. Emotional wurde es. Wenn man wollte.

Die Rabtaldirndln bedienten so ziemlich alle Klischees, die man sich vom steirischen Landleben nur vorstellen kann: Angefangen bei Dialektausdrücken und dem Duzen als normalste aller Publikumsansprachen, traditionellen Dirndl-Gewändern, Volkstanz über Aversionen gegen moderne Technik, innigen Bindungen zu Familienmitgliedern und deftiger Hausmannskost bis hin zum Gemeindegasthaus als Ort, an dem Politik gemacht wird und dem Schnaps-Trink-Zwang. Steirische „Landeierei“ wie sie im Buche steht – Ein Fest für die vorurteilsfreie Urbanität des Schauspielhauses.

Thema war das aber nicht. Thema war Landflucht, Identitätssuche und -konstruktion, Entfremdung und Rückkehr: der Verrat an der Heimat, der vielen vorgeworfen wird, die die vermeintliche Idylle des Landlebens freiwillig zugunsten der Anonymität der Stadt verlassen. „Ausheimische“, die Art von Heimat-Verrätern, sind am Land ebenso schlecht angestellt wie „Zuagroaste“ (Zugewanderte). Wie kann man einfach weggehen und das Land und die Familie im Stich lassen? Wie kann man sich freiwillig für die Stadt entscheiden? Wie freiwillig das heimelige Nest verlassen und flügge werden? Und: Gab es Anzeichen, die auf eine bevorstehende Flucht schließen hätten lassen?

Diese Fragen erfordern eine Ermittlung, eine kriminalterminologische Ermittlung: Eine Fahndung nach den Vermissten. Nach der Tante, der Schwester, dem Onkel.

Ob sie nach Übersee, in die große Metropole oder nur ins Nachbardorf ausgewandert sind, der Verrat an der Wiege ist derselbe. Zumindest für die Hinterbliebenen kommt die Auswanderung der geliebten Personen einem Verbleichen derselben gleich. Das ist nur allzu typisches ländliches Denken. Das kann man bestätigen, wenn man selber „Verräter“ ist. Das macht das Stück dann auch emotional. Die Sager, die Konflikte, der Verrat und der Vorwurf.

Im Verlauf der anderthalb Stunden Klamauk, Konstruktion und wunderbar ironisch inszenierter Klischeemeierei werden pro vermisster Person Beweisstücke angeführt, die als Indiz für das geplante Verbrechen gedeutet werden. Sei es ein noch so banales „Drum“, an das sich gemeinsame Erinnerungen heften. Sei es eine kaputte Gitarre, ein Kinderbuch oder ein Strickjäckchen.

Die Zimmer der Ausgewanderten werden in Ehren gehalten, die persönlichen Gegenstände, die zurückgelassen wurden ebenso. Man hält die Zeit an, konserviert das Vergangene im Gegenwärtigen. Diese Zimmer muten an wie Särge und dienen doch einem Zweck: zu simulieren als wären die „Ausheimischen“ nie weggegangen. Man will nicht glauben, dass sie in der Stadt eine Heimat gefunden haben könnten: „Durchs ‚böln’ (= bellen vulgo für Dialekt sprechen) verraten´s si eh in da Stodt.“

 

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Man trauert, als wären sie nicht mehr auf der Welt und würden nie mehr wiederkommen. Kommen sie doch auf Besuch, ist dieser immer zu kurz und schmälert das Verbrechen nicht, ist „eh nix wert“, sondern unterstreicht es nur noch. Dabei könnte man doch auch umgekehrt besuchen. Aber: Das geht nicht.

In die Stadt? Wo sich doch alle gesellschaftlichen Strukturen auflösen? Wo man am Markt kaufen muss, was man zu Hause einfach im Wald holt? Wo die Luft so schlecht ist? Wo man seine Menschlichkeit zu verlieren beginnt, sobald man auch nur die Stadtgrenze passiert hat? – Das geht nicht.

Lieber die Decke auf den Kopf fallen lassen, lieber die Tradition wahren, lieber Hausfrau bleiben, lieber den elterlichen Hof übernehmen, lieber nicht nach dem persönlichen Glück suchen, lieber nicht bewundern, wenn andere das doch tun – wenn andere ausreißen aus den beengenden, erzkatholischen, konservativen Strukturen, die Traditionen genannt werden. Das macht man einfach nicht, was würden denn die Leute denken?

Die Frage nach dem Warum? Verpönt. Das fragt man nicht. Lieber gute Miene zum bösen Spiel machen, um der Kollektivlüge willen. Schließlich ist ein „Landei (nur) jemand, der in die Stadt kommt und keine Ahnung von der Stadt hat.“

Ebenso wie die Begründungen, warum das Land mehr Lebensqualität bietet, wurden die Ausreden der Verräter und ihre Begründungen, warum sie in die Stadt gegangen sind konterkariert.

Es gibt keine Arbeitsplätze am Land. Die Anonymität in der Stadt ist ein Vorteil. Konventionen sollen gebrochen werden – aus der Bequemlichkeit herauskommen ist notwendig, um Neues zu erreichen. Es war wegen der Vielfalt an persönlichen Möglichkeiten, die die Stadt bietet. Alle coolen Leute gehen weg.

„Ich wurde nur zufällig am falschen Ort geboren, da musste ich weg.“

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(c) Rania Moslam

Das Festpicken am falschen Ort, anschaulich durch Superkleber gezeigt, kann und muss verhindert werden. Vor allem dann, wenn man schon „immer besser in der Schule war“ und „lässig, frech und überraschend anders“ als die anderen war.

Tja dann –„Heimat kann man halt net leugnen.“

Dead End: Cactus Land

Die Londoner Regisseurin Lily Sykes inszeniert “Cactus Land” nach Motiven von Anthony Loyds “My War Gone By, I Miss It So”. Lyod ist britischer Kriegsjournalist und wurde bereits mehrfach für seine Fotos und Reportagen ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Amnesty International Award“ im Jahr 2013. (Besetzung)

1880. 1966. 1972. 1992. … heute.

Faszination ist der Grund, warum Menschen freiwillig in den Krieg ziehen. Sie kann sogar so weit reichen, dass man sich irgendwann vor der Normalität des Alltags fürchtet.

Der Krieg hinterlässt Spuren, offensichtliche und versteckte. Wenn diese Spuren lebendig werden und einen zu verfolgen beginnen, dann wird die gegenwärtige Normalität zum Schauplatz eines Krieges. Selbst der Griff zum Duschgel, auf dem steht: “Wash&Go”, wird dann spitz interpretiert: Leben oder weitermachen und sterben. – Anyway…

My War Gone By, I Miss It So“ ist das Portrait eines persönlichen Krieges. Das Buch beschreibt die Grausamkeit des Krieges und ist Zeugnis des augenscheinlichen Grauens, das Menschen einander bereit sind anzutun. Gleichzeitig zeigt Lyod darin schonungslos ehrlich, wie er mit dem Krieg umgeht, dass er davon verfolgt wird und  doch noch immer von ihm fasziniert ist.

Für Lewis wurde ‚der’ Krieg zu ‚seinem’ Krieg. Lily Sykes inszeniert das in „Cactus Land“ so: Alex Lewis (alias Anthony Lyod) befindet sich in seinem Hotelzimmer, wo er von den Geistern seines Krieges heimgesucht wird und durch Radiosequenzen und Unterbrechungen durch das Zimmermädchen mehrmals von der Welt seines Unterbewusstseins in die Realität und die Gegenwart zurück geholt wird.

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Innerhalb der zwei Stunden öffnen sich dem Zuseher Türen des Verständnisses, die davor nicht existierten. Geschickt verknüpft Sykes Lyods Geschichte mit der ihrer eigenen Mutter, einer „Heimat“-Dokumentarfilmerin. Was harmlos klingt, schafft Komplexes pointiert zu vermitteln. Die Themen sind vielfältig, die Struktur vielschichtig, die Botschaften tückisch-sarkastisch, aber zu viele an der Zahl. Die Opulenz des Pointierten unterläuft so dessen Leistung.

Die besetzten Zuschauerreihen gingen nicht über das Parterre hinaus. Hätte man dem Stück seine zweite Hälfte verwehrt – Der Song nach der Pause wäre als Schluss nicht zu toppen gewesen: “Cactus Land. This is our world now. Deadland.”

Ziel und Punkt.

Nach „h’amlet“ und „Pinocchio“ feiert das t’eig Theater seine heuer schon dritte Premiere. Bekannte Gesichter, neues Stück und gewohnt abgestimmter Aufführungsort. Eine Rezension. 

Anton Tschechows Stück “Drei Schwestern” wird vom t’eig Theater ins Heute verlegt. Zunehmende Kapitalisierung und sozialer Zerfall korrespondieren in ihrer Aktualität mit unserer heutigen ‚individualisierten’ Gesellschaft. Die Möglichkeiten und Voraussetzungen für ein gutes Leben allein, reichen nicht aus, um tatsächlich auch ein solches zu führen. „3schWESTERN“ beweist: Fehlt die notwendige Handlungsfähigkeit, ist Gegenwartsverneinung oft die Folge.

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(c) Heldentheater

„Zielpunkt“ meint im Stück nicht nur die ehemalige Filiale der Lebensmittelkette als Ort der Inszenierung. Auch nicht allein das wiederkehrende Mantra „nach Moskau“, sondern den Fluchtpunkt der Figuren. Im Jetzt unzufrieden und mangels Tatkraft für Veränderung hängen sie sie in einem apathischen Zustand fest: „Leben ist Leiden und bald wissen wir wofür“.

Die Dialoge führen oft ins Nichts oder werden durch derbe Witze und Zitate, teils passend, teils schmerzhaft, überformt. Das Tschechow’sche Aneinander-vorbei-Reden setzen die Schauspieler um, indem sie nur in Blickrichtung des Publikums und räumlich versetzt zueinander sprechen. Das wirkt zunächst irritierend, vor allem, weil diesmal nicht so klar wie sonst ersichtlich war, wann und wie die Schauspieler ihre Rollen tauschen.

Im Vergleich zu früheren Inszenierungen ist das Stück ebenso gut post-dramatisch durchkomponiert und detailreich ausstaffiert, wirkt aber noch dekonstruierender, zusammenhangloser. Und wird damit umso originalgetreuer.

Prinzessin unverblümt

Julia Gräfner, der neue Star des Grazer Ensembles, rockt in ihrem eigenen Solostück die Bühne zur Musik von Meat Loaf: „Ich würde alles für die Liebe tun, ich mach’s aber nicht“ in der Spielzeit 15.16 am Schauspielhaus Graz. Eine Beschreibung des Abends und seiner Wirkung. 

Nackt bis auf einen Slip. Sich langsam und genüsslich, den Moment voll auskostend, ankleidend. Herrenkleidung. Ein männlicher Mann, dem Auftreten zufolge, eine weibliche Person, der Biologie nach. Nichts für schwache Nerven und provokativ. Aufrührend und genial.

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(c) Lupi Spuma

Julia Gräfner präsentiert in „Ich würde alles für die Liebe tun, ich mach`s aber nicht“ einmal mehr ihr schauspielerisches Können und stellt ihre Bühnenpräsenz unter Beweis – allein. In diesem Stück, das zugleich auch ihr Abschlussprojekt an der Berner Universität der Künste war, portraitiert und präsentiert die Newcomerin eine Hommage an den Musiker und Schauspieler Meat Loaf. Gleichzeitig persifliert sie die Mythen und Legenden, die konventionalisiert im Westen über das Phänomen ‚Liebe’ vorherrschen.

Sie räumt radikal mit der Prinzessinnen-Vorstellung auf und holt dabei das Publikum genau dort ab, wo es steht: verfangen in den Wirren der unterschiedlichen gesellschaftlich- akzeptierten oder nicht akzeptierten Liebeskonzepte.

Emotional, intim und berührend. Kindisch, erotisch und pubertär. Ironie, die weh tut. Überspitzte „Du kannst jederzeit ausbrechen und neu beginnen“-Moral.

All That Jazz

Jazz mal anders. Ausnahmsweise pilgert man dieser Tage nicht ins „Stockwerk Jazz“ am Jakominiplatz, um berauschende Jazzmusik zu vernehmen. Stattdessen fand das Konzert der sympathischen KUG-Studenten auf der Bühne statt. Genauer: im Haus DREI des Grazer Schauspielhauses. Startblock nennt sich die Initiative  der Neo-Intendantin Iris Laufenberg – hundert Tage lang lädt sie Grazer Kulturschaffende ein, das Haus DREI als Spielwiese zu nutzen und sich vorzustellen. 

Art Blakey, Lee Morgan, Freddie Hubbard. Namen, die man kennt und die durch „The Jazz Messengers“, jener legendären amerikanischen Jazzband der 1950er-Jahre, bekannt wurden. Ein musikalisches „Tribute to The Jazz Messengers“ präsentierten sechs Studierende der Grazer Kunstuniversität am Dienstag im Haus DREI des Schauspielhauses.

Und es wurde den Jazz-Größen gerecht. Nicht nur die bekannten Stücke und mitreißenden Beats eines Art Blakey und Co. sorgten für Begeisterung bei den Zuhörern, sondern auch das sympathische Auftreten der jungen Jazzmusiker. Das Sextett kommuniziere bei den Proben in vier Sprachen miteinander: Auf Russisch, Ungarisch, Deutsch und Englisch. Moderator und Saxofonist Oleksandr Ryndenko finde das aber nicht schlimm, man selbst wisse immer was gemeint sei. Und auch das Publikum verstand die gemeinsame Sprache und belohnte nicht zuletzt deshalb jedes Solo mit einem Zwischenapplaus. Die Leidenschaft für die Musik ist universell und für jedermann/ jede Frau verständlich.

Die beiden Balladen wurden besonders emotional gespielt, das Drum-Spiel von Balázs Balogh war ausdauernd und intensiv, die Moderation ein einziges liebenswürdig-witziges Kabarettstück.

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Oleksandr Ryndenko (c) privat, Schauspielhaus

Beat vs. Off-Beat – Diese Frage stellt sich im Jazz nicht.

In Graz kennt man Jazz außerhalb eines Zusammenhangs mit dem Stockwerk Jazz am Jakominiplatz fast nicht. Das Schauspielhaus Graz macht nicht den Fehler des Totschweigens. Es begeht den Intendanzwechsel nicht still und heimlich, sondern mit einer Einladung an die Grazer Kunstszene auf der Schauspielhaus-Bühne mitzumischen. Dafür wurde der „Startblock“ und der „Startblog“ eingerichtet – 100 Tage lang sind diverse Grazer Kunst-Institutionen zu sehen.

„Das Missverständnis“ – Unmissverständlich

Rezension zu „Das Missverständnis“ (Albert Camus, Deutsch nach Hinrich Schmidt-Henkel)

„Was man nicht kennt, ist leichter zu töten“ – Überzeitliche Wahrheit, die ein universell anwendbares gesellschaftliches Panorama zeichnet, das Camus´ logisch montiertes, absurdes Drama „Das Missverständnis“ entwirft.

Nikolaus Habjan, Nestroypreisträger, gebürtiger Grazer und brillanter Puppenspieler sowie –bauer, gastiert am Schauspielhaus und leitet die Off-Produktion auf der Probebühne. Dementsprechend agieren er (Martha, Knecht), Seyneb Saleh (Maria, Mutter) und Florian Köhler (Jan/Karl, Knecht) dabei mit Puppen.

Die Situation: eine vertraute. Heimkehrer Jan gibt sich entgegen des Rates seiner Frau Maria bei der Rückkehr im mittlerweile zur Pension umfunktionierten Elternhaus, der Familie –Schwester Martha und der Mutter, beide vom Vater verlassene Frauenfiguren; die Tochter sehnsüchtig, die Mutter zunehmend müder werdend – nicht zu erkennen.

Der Verlauf: ein tragischer. Was Jan, der sich dort Karl nennt und in einem Koffer seine Vergangenheit sichtbar mit sich trägt, nicht weiß: Seine Mutter und Schwester verdienen sich ihren Unterhalt mit Raubmord. Unterstützt durch Giftbecher und Hausknecht töten sie ihre Gäste und versenken die Leichen anschließend im Fluss. So später auch den verlorenen Sohn. Aufgrund eines Missverständnisses, gekonnt mit Sinn für die Feinheiten des Textes von Dramaturgin Heike Müller-Merten in Szene gesetzten und dadurch als „Erklärungsversuch“, oder besser: Begründung, fokussierten Kommunikationsstörungen und des zunächst und endlichen Nicht-Erkennens. Oder auch Erkennens. Das obliegt dem Zuschauer, ihm lässt die Inszenierung offen, ob sie ihn erkannt und trotzdem getötet oder nicht erkannt und deshalb getötet haben. Alle drei enden – Martha und die Mutter durch Freitod – mit „Wir haben jetzt alle unsere Ordnung“ tot im Wasser.

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Seyneb Saleh, Nikolaus Habjan und Florian Köhler mit ihren Puppen in „Das Missverständnis“ (c) Lupi Spuma

Und wozu das alles? Die Sinnfrage im Existentialismus zu stellen, ist wenig befriedigend (Paradebeispiel hierfür: „Warten auf Godot“ – Samuel Beckett). Diesem philosophischen Verständnis entsprechend, ist die Welt und damit auch das Leid des als atheistisch angenommenen Menschen, sinnlos und der Tod ein Ende ohne Sinn. Die Trennung von Spieler und Puppe, die im Schlussakt beim Hinabgleiten des Toten meisterlich vollzogen wird, kann somit einerseits als die gescheiterte Symbiose der Figur des Jan mit der des knöchernen Karl, wie auch andererseits als der „existentielle Sprung“, der in der Philosophie der Existentialisten das „Weitermachen“ bezeichnet, welches das Fehlen eines Ausweges durch Akzeptanz auszugleichen versucht, und ebenfalls nicht glückt.

Etwas irritierend mutet dabei zunächst das Aufhängen der „toten“ Puppen nebeneinander an im Bühnenbild integrierten Haken durch den Hausknecht an. Es hat aber nicht nur angesichts der Interpretation des Knechts als Spielmeister oder Schöpfer, durchaus Berechtigung. Unterstützt wird diese Sichtweise noch durch sein Auftauchen zum Zeitpunkt der dritten Verleugnung Marias von Jan alias Karl.

Obwohl der Knecht stumm ist und bleibt, eröffnet und schließt er den Abend mit seinem Auftreten in der ersten und letzten Szene. Er dient als Dreh- und Angelpunkt. Er trägt die Geschichte. Warum die Dramaturgin auf das berühmte „Nein“, die Antwort auf Marias flehende Hilfeschreie, verzichtet hat, lässt sich gesellschaftlich betrachtet am ehesten anhand der Beobachterfunktion des Schöpfers nachvollziehen: Er lässt geschehen, uns schreien, existieren, ohne einzugreifen oder gar zu erklären. Ganz gemäß dem existentialistischen Denken und typisch menschlichem Verhalten– bezeichnendes, betretenes, bedeutungsgeladenes, nein: wissendes, aber tatenloses Schweigen.

Außerdem verfehlt diese spezielle Regieanweisung Habjans ihre Wirkung im Publikum nicht: Sie soll nach so viel Daseinskampf, Heimatproblematik, Sehnsucht und Unmöglichkeit, Betroffenheit, Fassungslosigkeit über so viele Missverstandenes, Schwere und Sinnsuche, wo keine sein soll, bewirken. Dies gelingt. Und gerade deshalb war die wohl dominanteste Reaktion: Begeisterung ob der gesamten Aufführung.

Trailervideo hier anzusehen:

„Stehaufmandl“ zwischen Naturphobie und -philie

Rezension zu Robert Seethaler: Ein ganzes Leben

Der „Spiegel“ unterstellt Seethaler, „Alpenkitsch“ zu propagieren. Diesen „Kitsch“ kann man nicht leugnen, schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man unter der Oberfläche des Textes noch etwas anderes: Den eigentlichen Schlüssel zum Erschließen des Texts – Ambivalenz.

Seethaler (im Bild unten) rekonstruiert geschickt das Leben seines Protagonisten. Andreas Egger wurde nicht viel gegeben, er strebte aber auch nicht nach mehr. Der Roman spielt mit Gegensätzen und lebt wie Egger selbst in und von den Kontrasten. Eggers Werdegang wird geschildert, ohne zu werten. Lakonischer Sprachstil korrespondiert mit der Einfachheit des sozialen Milieus.

Die Lektüre ist gleichsam Milieu- und Naturstudie wie Biographie.

Eggers Lebenswelt ist eingerahmt vom Berg-Motiv. Die Berge türmen sich rundum auf und schließen das Dorf ein. Diese Abgeschiedenheit oder Abgeschnittenheit erinnert nicht nur geographisch an „Das finstere Tal“ von Thomas Willmann: Es zeigt sich im Charakter Andreas Eggers dazu ebenjene Machtlosigkeit, die die Bewohner des Dorfes bei Willmann zwingt  die Verbrechen der Söhne des Brenner-Bauern stumm zu akzeptieren. Der Brenner-Bauer heißt bei Seethaler „Kranzstocker“ und demonstriert Überlegenheit indem er sich „zu einem Berg (vor Egger) erhebt“.

Emanzipation gelingt diesem nur mit Gewalt – Erst mit Erreichen der Volljährigkeit und einer körperlichen Kraft, die die des Kranzstockers übersteigt, rebelliert er gegen dessen Schikane und Misshandlungen.

Eggers Antrieb ist aber nicht etwa ein Streben nach etwas Höherem oder ein Ziel, dessen Erreichung er wünscht. Gerade das bewusste Fehlen eines „Motors“ ist das originelle Konstrukt Seethalers. Eggers sturer Überlebenswille ist seine Motivation. Er allein lässt ihn nach jedem Schicksalsschlag wieder aufstehen. Nach dem Motto „Die Natur nimmt und gibt.“, akzeptiert er, dass die Berge ihm die Frau nehmen aber Arbeit geben.

Die Natur zieht in Seethalers Roman die Fäden des Schicksals, denen der einfache Egger nichts entgegenzusetzen hat als seinen schlichten, bescheidenen Charakter.

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Robert Seethaler (c) wikimedia.org

Während in Texten anderer Autoren, beispielsweise bei Joseph Winkler (in „Winnetou, Abel und ich„), das Aufbegehren und Ausbrechen aus dem beschränkten Milieu mittels intellektueller Revolution gelingt, eröffnet sich für Seethalers Figur diese Möglichkeit nicht. Sie ist in ihrer Situation gefangen und gezwungen sich zu fügen. Andreas Egger sieht sich immer neuen Veränderungen gegenüber, mit denen er sich nur durch Anpassung arrangieren kann. Die Fähigkeit diese Situationen denen man sich im Laufe eines Lebens gegenübersieht zu beeinflussen, erfordert die Fähigkeit sich ausdrücken zu können und zu wollen. Diese fehlt Egger zeit seines Lebens.

Die Kargheit von Eggers Charakter betrifft sowohl seine Sprache (er spricht nur selten, dann nie viel) wie auch seine Behausung und das soziale Umfeld. Er ist genügsam, reagiert mit Achselzucken auf Katastrophen und nimmt Umstände unreflektiert hin. Sein Leben ist vielmehr Ablauf von Geschehnissen, denen er als Unbeteiligter beiwohnt, als aktiv subjektives Erleben.

Dass dieser Gesamteindruck absolut keineswegs dumm und langweilig, sondern sehr stimmig ist, zeigt sich erst, wenn man die Figur in ihrer angelegten Ambivalenz erkennt.

Diese eingeschüchterte, zurechtgestauchte Persönlichkeit, lebt angepasst an ein Milieu das ihr zuwider ist und unbescholten, aber keineswegs respektiert, das ihr aufgezwungene Leben. Sie murrt nicht, sie jammert – entgegen der österreichischen Konvention, aber im Konsens mit der durch die Weltkriege geprägten Generation – nicht. Sie liebt die Berge, obwohl sie um deren Gefahrenpotenzial weiß und diese am eigenen Leib spüren musste. Die Bergwelt wird einerseits romantisiert, beispielsweise werden die Berge als „Unterlage“ für den Heiratsantrag an Marie verwendet, oder den Touristen als paradiesisches Idyll präsentiert, andererseits wird sie als bedrohlich, gefährlich und unüberwindlich dargestellt.

Der „staunende“ Blick eines schlichten Menschen auf die Berge bleibt Egger zeit seines Lebens erhalten. In der Bewunderung liegt gleichzeitig Angst. Angst vor dem „Gedächtnis“, das dem Berg ebenso zugeschrieben wird, wie die Personifikation zu einem „atmenden“ Wesen. Der Berg ist Eggers Schicksal. Die mythische Deutung des Berges als übermächtiges Wesen gipfelt im Ende.

Virtuos beschließt Seethaler dieses konstruierte Leben: Der „Hörnerhannes“ wird gefunden. Er ist zu Eis erstarrt. Egger kommt zufällig hinzu, als die Leiche geborgen wird und fühlt einmal mehr die Kraft der Berge: Sie haben den Hörnerhannes „verschlungen“ und wieder freigegeben. Er blieb dabei derselbe, sein Leben wurde angehalten, während Egger die gut fünfzig gelebten Jahre zu einem anderen werden ließen. Diese Konfrontation ist für ihn Anlass, den einzigen und letzten Versuch zur Flucht aus dem Tal zu unternehmen. Es bleibt beim Versuch. Er scheitert an der ungewohnten Freiheit „draußen“ und der Möglichkeit sich selbst zu bestimmen. Egger kommt dadurch aber mit sich ins Reine. Seethalers Leistung mit dieser Perspektive, ist, dass Egger am Ende seines Lebens trotz allem glücklich ist. Egger gelingt eine Rückführung auf Substanzielles: Das „Wenige“ das er hatte, reicht ihm für eine positive Bilanz.

Dieses Ende mag man lesen wie man möchte – triefend vor Bitterkeit, schön-kitschig, ironisch, tragisch oder alles zusammen. In jedem Fall ist es eines: ambivalent. Und gerade dadurch wiederum in sich stimmig.

„Können Sie dazu etwas sagen?“ – „Ich bin schwer dement, nein. Aber sagen Sie zuerst…“

Das Leben des Friedrich Zawrel ist eine einzige Leidensgeschichte. Gleichzeitig aber auch die Geschichte eines starken Mannes und seines unbedingten Willens zu leben. Der Grazer Regisseur und Schauspieler Nikolaus Habjan hörte von Zawrels Schicksal, traf den Pensionisten in Wien und schrieb das Stück „F. Zawrel. Erbbiologisch und sozial minderwertig.“ Für das mit Puppen und Schauspielern inszenierte wirkmächtige Stück wurde Habjan 2012 mit dem Nestroypreis ausgezeichnet. Reaktionen und Reflexionen zum Stück:

Der erste Gedanke an eine mögliche Rezension war: „Ohne Worte. Selbst hingehen und anschauen!“. Das lässt sich aber nicht nur auf fast jedes x-beliebige Stück anwenden, sondern nichts darüber zu sagen, würde dieser phantastischen Inszenierung Unrecht tun. Abgesehen vielleicht vom Grad der Betroffenheit und Emotionalität, die das Stück im Publikum ausgelöst hat: Es gab angefangen mit betroffener Stille, hemmungslosem Schluchzen, anschließenden Standing Ovations, über tosenden Applaus bis hin zu einem Zusammenbruch – zugegeben, der hatte wahrscheinlich weniger mit dem Stück zu tun, als mit der körperlichen Verfassung betreffender Person – unterschiedlichste Reaktionen in der Zuschauermenge. Markant allerdings: Das Schweigen, dann erst folgte der erlösende Applaus.

Deshalb kommt hier Variante zwei – Ein Versuch der Annäherung an eine Beschreibung des dokumentarischen Figurentheaters von Nikolaus Habjan:

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(c) Manuela Linshalm

Erbbiologisch und sozial minderwertig, das soll nicht nur Titel und (scherzhafte) Grabinschrift des Friedrich Zawrel sein, sondern war auch Ergebnis des Attests seines Psychiaters im Steinhof alias „Spiegelgrund“, der Kinderversuchsanstalt alias Euthanasieklinik während des NS-Regimes in Wien. Friedrich Zawrel ist Zeitzeuge, Patient und Opfer der Kriegs- und Nachkriegsgräuel in Österreich. Vor allem aber ist er ein Kind. Ein Kind, das von seinen Eltern weggezerrt, eingesperrt und misshandelt wurde. Ein Kind, das Angst hatte, das unvorstellbare Qualen erdulden musste, weil es sich weigerte, „krank“ zu sein. Ein Kind, das Widerstand leistete und in der Freundlichkeit einer Krankenschwester jene Hilfe erfuhr, die eine Flucht möglich machte, jedoch nur solange bis es seitens der Republik erneut Opfer sozialer Ungerechtigkeit und Pseudo-Entnazifizierung wurde. Denn die geschilderten Verbrechen der Nationalsozialisten wurden bis herauf ins Jahr 2000 von höchster Instanz unterstützt und vertuscht. Die Botschaft Zawrels und damit auch Habjans: Tragt die Geschichte hinaus in die Welt und vergesst nicht! Vergesst nie! Vor allem nicht, dass die Täter noch Jahrzehnte lang unbehelligt weiterpraktizierten.

Der Mehrwert, der das Stück erst Nestroypreis-fähig macht und eingangs erwähnte Betroffenheit bewirkt, ist die Art der Inszenierung und Nikolaus Habjan selbst. Autor und Regisseur des Stückes, Schauspieler und Puppenspieler in einer Person.

Wie würde sich Nikolaus Habjan äußern, könnte er die Geschichte des F. Zawrel noch einmal zum ersten Mal hören? Genau so, wie er sich auf der Bühne präsentiert: Denn, offensichtlich, das ist zumindest der Eindruck, der einem aufmerksamen Beobachter auf der Bühne vermittelt wird, freut, leidet, ja lebt Habjan mit seinen Figuren mit. Er vermittelt die Geschichte derart authentisch: er schreit, flüstert, lacht und weint. Tritt als Schauspieler meisterhaft hinter seine Figuren und ist dennoch auf der Bühne präsent, als derjenige, der im wahrsten Sinne des Wortes die Fäden zieht und in seinen Figuren. Dramaturgisch spannt Habjan den Bogen vom leicht-bekömmlich, netten Einstieg über die tragisch-schockierende Lebensgeschichte des Friedrich Zawrel, genial bis zum moralisierenden Ende, das die Missstände in der österreichischen Gesellschaft noch einmal auf den Punkt bringt und zusätzlich mit Intertext von Erich Fried (Was geschieht) und einer eingeblendeten Videosequenz des „echten“ Zawrel arbeitet. Die Kritik an der niederträchtigen Mentalität (Gerhard Fritsch in Fasching lässt durch den Vergleich der österreichischen Mentalität mit einem Punschkrapfen – außen rosa, innen braun – grüßen), dem Verstecken hinter dem „erzwungenen“ Anschluss und der Opferrolle Österreichs bleibt, gerade wegen der geschickt verwebten Komik, durch die die Zuschauer nicht wissen, ob sie angesichts der Schwere der Thematik überhaupt lachen dürfen, erhalten.

Abschluss dieses Versuchs: Es schließt sich der Kreis zur abgespeckten Variante eins: “Selbst hingehen und anschauen!”

Puppenspiel vom Spiegelgrund

Der Grazer Regisseur, Schauspieler und Puppenspieler Nikolaus Habjan tourt mit seinem unheimlich-berührenden Stück „F. Zawrel – Erbbiologisch und sozial minderwertig“ durch Österreich und erntet einen Applausregen nach dem anderen. Von Standig-Ovations bis schockierter Betroffenheit reicht die Spannbreite der Publikumsreaktionen. Nun gastierte er auch am Grazer Schauspielhaus. Eine Gastrezension von Julia Klimacsek

Es ist eine Lebensgeschichte, die ebenso wenig „gewöhnlich“ gelebt wie erzählt wird. Friedrich Zawrel erfuhr die Grauen des 3. Reiches sowie den problematischen Umgang mit der Aufarbeitung derselben in Österreich am eigenen Leib. Nikolaus Habjan und Simon Meusburger inszenieren eben diese Geschichte auf beeindruckende und bewegende Art und Weise. – Die Tatsache, dass die ganze Vorstellung hindurch nur ein einziger Schauspieler (Habjan) auf der Bühne steht, der die verschiedenen Rollen teils selbst und teils mit Klappmaulpuppen spielt, mindert keinesfalls die Qualität des Stücks oder der Performance. Im Gegenteil: Mit beeindruckender Flexibilität und Präzision wechselt Habjan innerhalb weniger Augenblicke zwischen den Figuren hin und her und schafft es, während seines Puppenspiels seine eigene Persönlichkeit so weit in den Hintergrund zu stellen, dass die Puppen tatsächlich zum Leben erwachen. Andererseits spielt er seine „menschlichen“ Rollen mit ebenso viel Ausdruck und Hingaben, dass man als Zuschauer/in das Gefühl hat, ein Ensemble aus vielen verschiedenen Figuren bewege sich auf der Bühne.

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(c) Sabine Hauswirth

Die Botschaft des Stücks, das Erinnern nur ja nie „in Vergessenheit geraten zu lassen“, wird mit jeder Szene deutlicher und am Ende der Vorstellung mit einem eindringlichen Gedicht von Erich Fried auf den Punkt gebracht. Man spürt deutlich, dass Habjan und Meusburger diese Botschaft am Herzen liegt, was die Wirkungskraft des Stücks und der Aufführung noch zusätzlich zur ohnehin eindrucksvollen Geschichte steigert. – Ein Stück, das definitiv zu Herzen geht und zum Nachdenken anregt!

Bach wohltemperiert

Einige Gedanken zum Styriarte-Konzert vom 14.07.2014, 20 Uhr in der Helmut-List-Halle, Graz.

Der erste Teil von Bachs Wohltemperiertem Klavier erfreute die Besucher der Styriarte am Montag zwei Stunden lang mit den Klängen, die Starpianist Pierre-Laurent Aimard dem Instrument virtuos entlockte. Er konnte mit diesem Auftritt in Graz, nach dem letzte Woche in Salzburg, die Station “Österreich” auf seiner Welttournee abhaken: Erfolgreich.

Der Saal: zum Bersten voll. Das Publikum: begeistert. Der Applaus: tosend. Soweit wenig verwunderlich.

Denn der lehrhafte und doch verspielt-fantasievolle Charakter des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach (1685 –1750) ist selbst Laien wie mir bekannt. Fesselnd beginnt das Konzert bereits mit der Fuge BWV 846, deren Töne, so gut wie jedem vertraut im Ohr klingen.

Kann man seinen Blick vom Geschehen auf der Bühne lösen und lässt ihn durch die Menge des Publikums schweifen, ertappt man einige Zuseher dabei, wie sie in die imaginären Tasten schlagen – die Finger tanzen auf ihren Knien im Stillen, die Augen meist geschlossen.

PIanist Pierre-Laurent Aimard

Dass der Genuss dieser Musik mit geschlossenen Augen durchaus entspannend ist und ob der abendlichen Stunde mitunter als Begleitung ins Traumland optimal genutzt werden kann, konnte man, nicht ohne ein Mindestmaß an Verärgerung, bemerken: Ein kontinuierliches Schnarchen “untermalte” die wohltemperierten Präludien Bachs. Zumindest so lange bis der wiederkehrende Applaus nach jeder Fuge erneut losbrach.

Aber sollte nicht auch das Sinn des Stücks sein? So beschrieb Bach jedenfalls seine Motivation, aus der heraus er sich “abgenöthigt war”, dieses Stück zu komponieren: Der Langeweile entgegenzuwirken und zum Zeitvertreib in “Kuhköthen”.

Das Land, gemeint ist sein Aufenthalt in Köthen in der Nähe von Magdeburg, inspirierte Bach zu diesem Opus: Es rühren die unterschiedlichsten Stimmungen der 24 Satzpaare in allen Moll- und Durtonarten – von leicht und flüchtig über tänzerisch und fließend bis hin zu brausend und mächtig. Wahrlich wohltemperiert.